Konjunkturlage und -prognosen für die Schweiz

Zwei Jahre unter Potenzialwachstum

Seit der Freigabe und anschliessenden Aufwertung des Franken im Januar dieses Jahres ist die Schweizer Wirtschaft kaum mehr gewachsen. Eine anhaltend starke Inlandnachfrage durch privaten Konsum und Ausrüstungsinvestitionen vermochten den spürbar sinkenden Exporten von Waren und Dienstleistungen nur im Rahmen Paroli zu bieten, zumal der gesamte Welthandel durch eine schwächere Dynamik geprägt war. Da sich die Wechselkurssituation inzwischen etwas entschärft hat und sich ermutigende Widerstandskräfte der Wirtschaftsakteure nachweisen lassen, rechnet die Expertengruppe des Bundes für das Jahr 2015 trotz allem mit einem leichten Anstieg des BIP.

Ab 2016 soll auch die Handelsbilanz wieder zum BIP-Wachstum beitragen und dies beschleunigen. Eine wichtige Voraussetzung für eine Verbesserung der Wirtschaftslage sei allerdings, dass sich die internationale Konjunktur weiterhin stabil entwickelt und vor allem der Euroraum seine Erholung fortsetzen kann. Unter diesen Bedingungen erwartet die Expertengruppe für das Jahr 2015 ein BIP-Wachstum von 0,9% (Juni-Prognose: +0,8%) und für 2016 eine moderate Beschleunigung auf 1,5% (Juni-Prognose: +1,6%) erwartet. Die Arbeitslosenquote dürfte trotzdem von 3,3% im Jahresdurchschnitt 2015 auf 3,6% im 2016 steigen.

Reales BIP Schweiz 2005 - 1. Hälfte 2015 - seco  

 Reales Bruttoinlandprodukt Schweiz

 
reales BIP - CH, Euroraum, USA, Japan - 2005 - 1.Hj. 2015  

 Bruttoinlandprodukt BIP Schweiz, Euroraum, USA und Japan

 
Arbeitslosigkeit - CH, USA, Euroraum, Japan 2005 - 1, Hj. 2015  

 Arbeitslosigkeit Schweiz, Euroraum, USA und Japan

 
Nominaler Wechselkurs - CH vs Euro, USD, JPY 2005-1.Hj. 2015  

Nominaler Wechselkurs (Wochenmittelwerte)

 
Ausrüstungsinvestitionen real - 2005 - 1. Hj. 2015  

 Ausrüstungsinvestitionen Schweiz 

 

Margen unter Druck

Die durch die Frankenaufwertung initiierten Preissenkungen haben sowohl die Export- und Importpreise als auch die inländischen Produzenten- und Konsumentenpreise stark unter Druck gesetzt. Viele Firmen mussten, um konkurrenzfähig zu bleiben, ihre Preise und damit ihre Margen soweit gesenkt, dass sie über das Jahr mit Verlusten rechnen. Daran dürften auch die zum Teil tieferen Kosten für importierte Vorleistungen, darunter insbesondere auch Erdölprodukte, nur wenig ändern.
Die fehlende konjunkturelle Dynamik dürfte, so die Prognose, den Arbeitsmarkt weiter belasten. Auch wenn der Frankenschock von Mitte Januar bislang noch keine drastischen Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen hat und die Beschäftigung auch im 2. Quartal 2015 weiter zugenommen hat, stellt sich das Bild je nach Sektor differenzierter dar. So stieg die Beschäftigung nur noch im Dienstleistungssektor, während sie in der Industrie, aber auch im Baugewerbe, leicht zurückging. Diese Divergenzen sollen sich in den kommenden Quartalen noch akzentuieren. Immerhin erwarten die Experten auf der einen Seite für 2015 einen Beschäftigungszuwachs von 0,9% und für 2016 einen solchen von 0,8%, auf der anderen aber für 2015 auch eine unveränderte Arbeitslosenquote von 3,3% (2015) resp. 3,6% (2016).

China verlangsamt…

Angesichts der verstärkten Abkühlung in den Schwellenländern sind die weltwirtschaftlichen Risiken im Vergleich zur Juni-Prognose leicht gestiegen. Falls einige Schwellenländer in eine noch ernsthaftere Krise und die Industrieländer wider Erwarten erneut in einen Abwärtssog geraten würden, hätte die Schweizer Wirtschaft in einem solchen Kontext nur geringe Chancen um weiter wachsen zu können.
Auch die Unsicherheiten über die weitere Wirtschaftsentwicklung in China trügen die Aussichten. Neben der strukturellen Verlangsamung des Wirtschaftswachstums (von beinahe 10% bis zum Jahr 2011 auf weniger als 7% im Jahr 2015) gesellten sich vermehrte Befürchtungen eines drohenden Konjunktureinbruchs (hard landing). Sowohl die abrupte Korrektur der chinesischen Börsenhausse als auch die teilweise Freigabe des Wechselkurses mit anschliessender Abwertung des Yuan gegenüber dem US-Dollar sorgten an den internationalen Finanzmärkten für Verunsicherung. Allerdings gibt es bislang keine klaren Signale für einen starken realwirtschaftlichen Abschwung der chinesischen Wirtschaft. So stehen ausgeprägten Schwächetendenzen in der Industrie und am Immobilienmarkt positive Indikatoren aus dem Dienstleistungssektor und vom Konsum gegenüber. Entsprechend erscheint eine Fortsetzung des langsameren Wachstumstempos der chinesischen Wirtschaft wahrscheinlicher als eine krisenhafte Zuspitzung mit stark negativer globaler Ausstrahlung.

... USA und Europa beschleunigen das Tempo

Entgegen den gedämpften Impulsen aus den Schwellenländern erscheinen insbesondere in den USA, aber zunehmend auch im Euroraum, die konjunkturellen Auftriebskräfte durchaus gefestigt. So wird für die USA von einer Wachstumsverstärkung auf 2,5% 2015 und 2,8% 2016 ausgegangen. Zudem hat sich hier die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die US-Notenbank die erste Leitzinserhöhung, die bis vor kurzem noch für Ende September erwartet wurde, noch um einige Monate verzögern wird.
Im Euroraum ist die Wirtschaft im 2. Quartal um 0,4% (im Vergleich zum Vorquartal) gewachsen, was einer moderaten Erholung entspricht. So ist für den Euroraum weiterhin von einer leichten Beschleunigung des BIP-Wachstums von 0,9% im Jahr 2014 auf 1,3% 2015 und 1,6% 2016 auszugehen (Juni-Prognose: 1,4% im 2015; 1,7% im 2016).

Fazit: Widerstandsfähigkeit bewiesen

Insgesamt stellen sich damit die Aussichten für das internationale Konjunkturumfeld weiterhin relativ positiv dar. Allerdings dürfte die weltwirtschaftliche Beschleunigung wegen der schwächeren Tendenzen in den Schwellenländern etwas langsamer verlaufen als noch in der letzten Prognose (von Juni 2015) angenommen wurde.
Die Expertengruppe geht wie bisher davon aus, dass die Wirtschaftsentwicklung in der zweiten Jahreshälfte noch sehr verhalten bleiben sollte und sich erst im Verlauf von 2016 festigen dürfte. Damit würde die Schweizer Wirtschaft für zwei Jahre eine deutlich unterdurchschnittliche Wachstumsdynamik verzeichnen, gemessen am Potenzialwachstum, das im Bereich von rund 2% liegen dürfte.
Die inländische Nachfrage dürfte zwar weiterhin eine wichtige Konjunkturstütze bleiben, allerdings mit Einschränkungen. So zeigen sich insbesondere bei den Bauinvestitionen, welche die Konjunktur seit der Finanzkrise massgeblich gestützt haben, nach den hohen Zuwachsraten der letzten Jahre nunmehr deutliche Abkühlungstendenzen. Demgegenüber dürfte der private Konsum dank fortgesetztem Bevölkerungswachstum und steigenden Reallöhnen weiterhin wachsen, auch wenn die Eintrübung der Arbeitsmarktlage die Konsumdynamik etwas bremsen könnte. Bei den Ausrüstungsinvestitionen kann angesichts der gedämpften Konjunkturaussichten kaum mit einer beschleunigten Expansion gerechnet werden.
Ermutigend ist, dass sich die Stimmung bei den Schweizer Unternehmen seit der letzten Prognose nicht weiter verschlechtert hat. Diese Bewertung lassen Indikatoren wie die KOF-Umfragen und der Einkaufsmanagerindex (PMI) durchaus zu. Auch die aktuelle Währungslage hat durch die Aufwertung des Euro eine Entspannung erfahren, seit die Griechenland-Krise aus den Schlagzeilen verschwunden ist.

Für und wider

Zudem deutet die Entwicklung der ersten Jahreshälfte 2015 auf eine gewisse Widerstandsfähigkeit der Gesamtwirtschaft hin. Doch neben der Währungsstärke haben zwei Themen die Unsicherheit für die Schweizer Wirtschaft verstärkt: die kontrovers diskutierte Regelung der Zuwanderung sowie der bilateralen Verträge mit der EU.

17.09.2015 | Autor Jörg Naumann   -> Drucken

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