Lagebeurteilung der MEM-Industrie

Harte Probe für den Werkplatz Schweiz

Auftragseingänge und Umsätze in der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie sind im ersten Halbjahr 2015 im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesunken. Über die Hälfte der Unternehmen kämpft mit teilweise signifikanten Margeneinbrüchen, über ein Drittel erwartet für 2015 einen operativen Verlust. Gegenmassnahmen der Unternehmen wie Produkt- und Prozessoptimierung wurden umgehend bzw. werden noch umgesetzt, doch fast ein Fünftel der Betriebe fasst eine (teilweise) Verlagerung der Produktion ins Ausland ins Auge oder hat dies schon beschlossen. Kein gutes Omen für die Beschäftigten in der MEM-Industrie.

Der Aufwertungsschock von Mitte Januar dieses Jahres hat die Unternehmen der MEM-Industrie zu sofortigen Massnahmen gezwungen. Fast 70% der Firmen haben im ersten Halbjahr 2015 die Preise gesenkt, um drohende Auftragsverluste in Grenzen zu halten. Fast lückenlos seien Investitionen ins natürliche Hedging, d.h. in die Verschiebung von Kostenblöcken in den Euro, festgestellt worden, hält der Verband nach einer aktuellen Befragung von 400 Mitgliedsfirmen (s.u.) fest. Entsprechende Massnahmen wurden von 77% der Unternehmen umgesetzt. Daneben liege der Fokus in den meisten Betrieben bei Produkt- und Prozessoptimierungen, wozu generelle Effizienzsteigerungen und ein rigoroses Produktkostenmanagement (70% der Betriebe) gehörten. Ausserdem investierten fast zwei Drittel der Firmen (63%) verstärkt in die Innovation.

Die Metallbearbeitung kämpft - wie die gesamte MEM-Industrie -gegen den überbewerteten Franken  
   

Hauptproblem: Margenverluste

Trotz den zügig ergriffenen Massnahmen sind die nachhaltig negativen Auswirkungen der Frankenstärke beträchtlich: Fast zwei Drittel der Firmen (64%) erwarten für 2015 einen Umsatzrückgang zwischen 5% und 20%. Viel schwerer wiegen die teilweise massiven Margenverluste. 52% der MEM-Firmen gehen von einem Margenrückgang zwischen 4 und 15 Prozentpunkten aus. Angesichts dieser Einbussen erstaunt es nicht, dass 35% der befragten Firmen für 2015 mit einem operativen Verlust rechnen.

Einbrüche bei Auftragseingang und Umsatz

Die Geschäftsergebnisse der MEM-Unternehmen im ersten Halbjahr 2015 bestätigen die in der Befragung geäusserten Befürchtungen. Die Auftragseingänge reduzierten sich im Vergleich zur Vorjahresperiode um -14,7%. Sowohl das erste (-17,1%) wie auch das zweite Quartal (-12,3%) trugen zu diesem hohen Rückgang bei. Der Index der Bestellungseingänge ist damit auf den zweittiefsten Stand der letzten 10 Jahre abgesunken. Die Umsätze verringerten sich im Vergleich zum ersten Halbjahr 2014 bis Ende Juni 2015 um -7,1% (Q1: -8,1%/Q2: -6,2%). Von sinkenden Aufträgen und Umsätzen sind Grossfirmen und KMU in ähnlichem Ausmass betroffen. Der rückläufige Bestellungseingang wirkt sich zunehmend auf die Kapazitätsauslastung der Betriebe aus. Diese ist im Verlauf des Jahres fast kontinuierlich gesunken und lag im Juli 2015 bei 87,1 Prozent und somit nur noch knapp über dem langjährigen Durchschnitt von 86,3 Prozent.

Exportwachstum nach Asien und USA – Rückgang in die EU

Die Exporte der MEM-Industrie reduzierten sich gemäss den Zahlen der Eidgenössischen Zollverwaltung im ersten Halbjahr 2015 im Vergleich zur Vorjahresperiode insgesamt um -2,2% und erreichten einen Warenwert von 31,6 Mrd. Fr. Die wichtigsten Absatzregionen entwickelten sich sehr unterschiedlich. Die Ausfuhren nach Asien (+5,3%) und in die USA (+11,4%) zogen teilweise kräftig an. Diese erfreuliche Entwicklung konnte aber den Exportrückgang in die EU (-5,2%), dem mit Abstand wichtigsten Markt, nicht kompensieren. Betrachtet man die einzelnen Produktbereiche, so sanken die Ausfuhren des Maschinenbaus um -5,4%, die Exporte des Bereiches Elektrotechnik/Elektronik um -5,0% und jene der Metalle um -4,2%. Einzig die Ausfuhren von Präzisionsinstrumenten stiegen leicht an (0,6%).

Schwieriger Anpassungsprozess...

Die Erwartungen der Unternehmer der MEM-Industrie für die kommenden 12 Monate sind entsprechend gedämpft. Gemäss der jüngsten Befragung der Unternehmer im Juli 2015 rechnen nur 28.1% mit mehr Aufträgen aus dem Ausland. Der genau gleiche Anteil erwartet sinkende Aufträge. Immerhin hat sich gegenüber der Erhebung im April 2015 die Quote der Optimisten leicht erhöht und jene der Pessimisten etwas verkleinert. Die leichte Abschwächung des Frankens in den letzten Wochen ist zwar erfreulich und hilft den Unternehmen. Allerdings ist der Franken nach wie vor überbewertet. Um die Situation in der MEM-Industrie nachhaltig zu verbessern, bräuchte es eine deutliche und vor allem dauerhafte Abschwächung des Frankens. Swissmem geht davon, dass die Frankenstärke in der MEM-Industrie deutliche Spuren hinterlassen wird. Aufgrund der Branchenzahlen rechnet der Branchenverband damit, dass im zweiten Halbjahr die Kurzarbeit und Restrukturierungsmassnahmen in der MEM-Branche zunehmen werden. Bei einem Wechselkursniveau von 1.05 CHF/Euro erachten es 18% der MEM-Unternehmen als zwingend, zumindest Teile ihrer Produktion ins Ausland zu verlagern. Werden diese Verlagerungsentscheide tatsächlich so gefällt, würden sie für den Werkplatz Schweiz substanzielle Verluste an Arbeitsplätzen nach sich ziehen.

... aber kein Untergang

Trotzdem werde die Industrie in der Schweiz nicht untergehen, gibt sich Verbandspräsident Hans Hess zuversichtlich. Die Unternehmen handelten und die Mehrheit werde Lösungen finden – auch wenn sich diese nicht immer in der Schweiz realisieren liessen. Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu stärken, hat Swissmem zusammen mit drei anderen Verbänden die Initiative «Industrie 2025» ins Leben gerufen. Sie soll den Firmen den Zugang zu den Digitalisierungs- und Vernetzungsansätzen von «Industrie 4.0» erleichtern. Diese bergen grosse Potenziale für Produktivitäts- sowie Effizienzsteigerungen und ermöglichen neue Geschäftsmodelle. Und nicht zuletzt setzt sich Swissmem mit einer langfristig angelegten Kampagne vehement für den Erhalt der bilateralen Verträge ein. Dieses Vertragswerk stützt die Attraktivität und die Wettbewerbsfähigkeit des Werkplatzes Schweiz entscheidend und ist deshalb für die MEM-Industrie unverzichtbar.

Schwierige Wahl 

Inzwischen hat sich der Frankenkurs bei knapp 1.10 CHF/Euro eingependelt. Das kann aber noch kein Grund für die leicht bessere Lageburteilung in der Befragung des zweiten im Vergleich zum ersten Quartal 2015 sein. Selbst wenn der Kurs so bliebe, werde er die Überbewertung des Franken nur tendenziell verringern, nicht aber aus der Welt schaffen, ist von Unternehmerseite zu vernehmen. So oder hat die exportorientierte MEM-Industrie eine harte Probe für den Werkplatz Schweiz zu bestehen. Das wissen auch die Arbeitnehmer. In den bevorstehenden Lohnverhandlungen werden sie implizit mitentscheiden zwischen mehr Lohn und - vorübergehend - sicherem Arbeitsplatz. Den meisten dürfte dieser Entscheid nicht schwer fallen, auch wenn die Herausforderung damit noch lange nicht bestanden ist. 

Forderungen an die Politik

Seine Erwartungen an die Politik hat der Verbandspräsident schon mehrfach formuliert. Es sei höchste Zeit, dass auch die Politik ihren Beitrag zur Stützung des Werkplatzes Schweiz leistet, ist Hess überzeugt. Primär müsse Schluss damit sein, den Unternehmen immer neue Regulierungen und Kosten aufzubürden. Beispiele dafür fänden sich vor allem in der Energiepolitik, der Vorlage zur grünen Wirtschaft und der Umsetzung der Swissness-Regeln. Swissmem hat einen Katalog mit konkreten Massnahmen zu den brennendsten politischen Anliegen erarbeitet (Details unter: www.swissmem.ch/frankenstaerke) und erwartet, dass die politischen Akteure diese Forderungen zügig umsetzen.

Zweite Umfrage in 6 Monaten

Swissmem hat ihre Mitgliedfirmen in diesem Jahr bereits zwei Mal über die Folgen der massiven Überbewertung des Frankens befragt. Die hier zusammengefassten Ergebnisse der Juni-Umfrage, die mit Unterstützung von Deloitte in der Schweiz und BAKBASEL durchgeführt wurde, bestätigen jene der Februar-Umfrage weitgehend. Über 400 Unternehmen haben daran teilgenommen, was ein klares und repräsentatives Lagebild ermögliche.

19.08.2015 | Autor Jörg Naumann   -> Drucken

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