Arbeitsmärkte EU - USA - CH

Konjunktur unterstützt - Franken bremst

In der EU und den USA sind die Arbeitslosenzahlen zum Teil deutlich gesunken, während sie in der Schweiz gestiegen sind. Doch während die Entwicklung im Ausland vor allem konjunkturell begründet ist, vollzieht die Schweiz eine schleichende Strukturänderung. Die bisher für seine Exportstärke bekannte Volkswirtschaft wandelt sich unter dem Druck des anhaltend starken Franken von einer export- zu einer binnenmarkt-orientierten Wirtschaft. Die damit einhergehende schleppende Entwicklung der Produktivität lässt nichts Gutes erwarten. 

Arbeitslosenquote EU 2000 - 2015 - Eurostat  
Arbeitslosenquote EU - Nov. 2015 - Eurostat  
Registrierte Arbeitslose und Stellensuchende Schweiz Dez. 2015 - seco  
Arbeitslosigkeit - Kennzahlen - 2015 - Dez. - Seco  

Im Euroraum (ER19) lag die saisonbereinigte Arbeitslosenquote laut Angaben von Eurostat im November 2015 bei 10,5% und damit leicht unter den 10,6% vom Oktober 2015 bzw. den 11,5% vom November 2014. Die aktuelle ist die niedrigste Quote, die seit Oktober 2011 im Euroraum verzeichnet wurde. In der EU28 lag die Arbeitslosenquote im November 2015 bei 9,1% (ein Rückgang gegenüber 9,2% vom Oktober 2015 und gegenüber 10,0% vom November 2014). Auch das ist die niedrigste Quote, die seit Juli 2009 in der EU28 verzeichnet wurde.

Laut Schätzung von Eurostat waren im November 2015 in der EU28 aber immer noch 22,16 Millionen Männer und Frauen arbeitslos, davon 16,92 Millionen im Euroraum. Allerdings fiel die Zahl der arbeitslosen Personen gegenüber Oktober 2015 hier um 179‘000, im Euroraum um 130‘000. Gegenüber November 2014 verringerte sich die Zahl der Arbeitslosen in der EU28 sogar um knapp 2,15 Millionen und im Euroraum um 1,57 Millionen.

Unterschiedliche Entwicklungen je nach Land

Von den Mitgliedstaaten verzeichneten Deutschland (4,5%), die Tschechische Republik (4,6%) und Malta (5,1%) im November 2015 die niedrigsten Arbeitslosenquoten. Die höchsten Quoten wurden in Griechenland (24,6% im September 2015) und Spanien (21,4%) registriert.

Über ein Jahr betrachtet fiel die Arbeitslosenquote im November 2015 in fünfundzwanzig Mitgliedstaaten, in Rumänien blieb sie unverändert, während sie in Österreich (von 5,6% auf 5,8%) und Finnland (von 9,0% auf 9,4%) anstieg. Die stärksten Rückgänge meldeten wiederum Spanien (von 23,7% auf 21,4%), Bulgarien (von 10,6% auf 8,8%) und Italien (von 13,1% auf 11,3%).

Noch immer jeder fünfte Jugendliche ohne Arbeit

Im November 2015 waren in der EU28 4,553 Millionen Personen im Alter unter 25 Jahren arbeitslos, davon 3,167 Millionen im Euroraum. Gegenüber November 2014 fiel deren Zahl in der EU28 um 412‘000 und im Euroraum um 163‘000. Im November 2015 lag die Jugendarbeitslosenquote in der EU28 bei 20,0% und im Euroraum bei 22,5%, gegenüber 21,5% bzw. 23,2% im November 2014. Die niedrigsten Quoten im November 2015 verzeichneten Deutschland (7,0%), Dänemark (9,9%) und Österreich (10,9%). Die höchsten Quoten registrierten Griechenland (49,5% im September 2015), Spanien (47,5%), Kroatien (45,1% im dritten Quartal 2015) und Italien (38,1%).

USA legt kräftig zu

Auch am amerikanischen Arbeitsmarkt wurden im letzten Jahr von Monat zu Monat gute Zahlen ausgewiesen. So wurden 2015 pro Monat durchschnittlich 221‘000 Stellen neu geschaffen, allein im Dezember fast 300‘000. Per Ende 2015 lag die Arbeitslosenquote in den USA bei 5,0%, obwohl die Erwerbsquote leicht auf 62,6 % stieg. Damit sind in den USA zwar immer noch 7,9 Mio Menschen ohne Job. Aber der Trend zeigt – trotz erstmaliger Zinsershöhung durch die US-Notenbank – eine anhaltende Erstarkung ist wahrscheinlich.

Hat Schweiz Talsohle erreicht?

Ganz anders stellt sich die Situation in der Schweiz dar. Dort ist die Arbeitslosenquote per Ende Dezember gemäss Berechnungen des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) auf 158’629 gestiegen. So viele Arbeitslose waren zumindest bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) eingeschrieben. Das sind 10’486 mehr als im Vormonat. Die Arbeitslosenquote stieg damit von 3,4% im November 2015 auf 3,7% im Berichtsmonat. Gegenüber dem Vorjahresmonat erhöhte sich die Arbeitslosigkeit deutlich um 11’260 Personen bzw. 6%.

Als Hauptgrund wird nach wie vor der hohe Frankenkurs genannt, der die Exporte der Industrie erschwert, gleichzeitig ausländische Firmen zum Geschäften in der Schweiz und Schweizer zum Einkauf jenseits der Grenze ermutigt. Ist Schlimmeres zu befürchten? Boris Zürcher, Leiter der Direktion Arbeit beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) sieht dennoch keinen Grund für Pessimismus. Erstens seien 90 Prozent der monatlichen Zunahme der Arbeitslosen mit saisonalen Faktoren zu begründen, zweitens sei mit einer Stabilisierung der Lage zu rechnen. Zürcher hält zwar einen Anstieg der Arbeitslosenquote in Richtung 4% für wahrscheinlich, aber zu einem veritablen Einbruch werde es nicht kommen. Auch der Ökonom und Arbeitsmarktexperte George Sheldon erwartet eine Trendwende, wenn er unterstellt, dass die Talsohle des konjunkturellen Abschwungs erreicht sei.

Schleichender Strukturwandel

Das anhaltende Problem, mit dem die Schweizer Industrie wie auch der Arbeitsmarkt zu kämpfen haben werden, ist die hohe Kaufkraft der Schweizer Konsumenten auf der einen, die vergleichsweise schwache Produktivität der Wirtschaft auf der anderen Seite. Erklären lasst sich das mit strukturellen Indikatoren. Während die Industrie jeweils ordentliche Zuwächse ihrer Produktivität erzielte, laufen vor allem die binnenorientierten Dienstleistungen der Entwicklung hinterher – oder bleiben sogar stehen. So wird auch die aktuelle Situation des Arbeitsmarktes damit erklärt, dass vor allem staatsnahe Branchen ein stärkeres Ansteigen der Arbeitslosenzahlen verhindert haben. Boris Zürcher spricht von einem schleichenden Strukturwandel. So habe das verarbeitende Gewerbe nach der Finanzkrise von 2002 bis 2008 zwar 43'000 neue Stellen geschaffen, doch davon bereits über 37'000 Stellen wieder abgebaut. In der Zeitspanne von 2008 bis 2015 seien vor allem in binnenorientierten Branchen zahlreiche Stellen entstanden, so im Gesundheitswesen über 66'000, bei freiberuflichen und wissenschaftlichen Dienstleistungen über 46'000, im Sozialwesen über 44'000 und in der Erziehung fast 42'000 Stellen. Total seien in der Schweiz seit 2008 261'700 Stellen geschaffen worden – zwei Drittel, nämlich 178'500 in den staatsnahen Bereichen. 

10.01.2016 | Autor Jörg Naumann   -> Drucken

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