Aufhebung des Euro-Kurses durch die SNB:

Unabhängigkeit hat ihren Wert - und ihre Kosten

Die Freigabe des Wechselkurses Schweizer Franken/Euro durch die SNB kam völlig überraschend und hat zahlreiche böse Kritiken hervorgerufen. Unbestritten ist, dass die Schweizer Wirtschaft - vor allem die exportorientierten Unternehmen und der Tourismus - die Aufwertung um 20 Prozent hart zu spüren bekommen. Doch längerfristig ist Zuversicht berechtigt, dass die meisten Unternehmen auch diese Herausforderung zur eigenen Stärkung nutzen werden. Es besteht also kein Grund zur Panik, wie die Bilanz sie der SNB bezüglich ihres Entscheids unterstellt.

Die Freigabe des Frankenkurses gegenüber dem Euro wird die Schweizer Wirtschaft in Teilen hart treffen. Sämtliche Konjunkturprognosen waren am 15. Januar 2015 Makulatur. Während die Ökonomen der UBS die Wachstumsprognosen des BIP für 2015 von bisher 1,8 auf 0,5 Prozent und für 2016 von 1,7 auf immerhin noch 1,1 Prozent senkten, hielten sich KOF und BAKBasel bedeckt. Doch dass auch sie ihre bislang optimistische Erwartung reduzieren, daran besteht kein Zweifel. Die entscheidende Frage ist zudem, wo sich der Franken zum Euro – und zum Dollar – einpendeln wird. Aktuell liegt er leicht unter der Parität.

Unabhängigkeit hochgehalten

Die Reaktionen auf die Freigabe waren heftig. Der völlig überraschende Entscheid der SNB unter Thomas Jordan verleitete Repräsentanten von Industrie und Tourismus zu harter Kritik. Schnellschuss, Tsunami oder Schock waren nur einige der Worte, mit denen die Freigabe kommentiert wurde. Swatch-Chef Nick Hayek fehlten zwar nach eigenen Angaben die Worte, doch die fand er dann rasch wieder (s.o.). Nur wenige Kommentatoren stimmten dem SNB-Entscheid zu. So Peter A. Fischer in der NZZ vom 16.1.: „Die Aufgabe des Mindestkurses mag schmerzen, ist aber richtig.“ Und Avenir-Suisse-Direktor Gerhard Schwarz (Vorgänger von P. Fischer als Leiter der NZZ-Wirtschaftsredaktion) in der Aargauer Zeitung vom 22.1. „Der Schock, den die Schweizerische Nationalbank mit der Aufhebung der Untergrenze für den Franken-Euro-Kurs im In- wie im Ausland ausgelöst hat, wird zunächst eher negative, nach aller Erfahrung mittelfristig aber positive Auswirkungen auf alle Bereiche der Schweizer Wirtschaft haben“, ist Schwarz überzeugt. Beide erachten die Unabhängigkeit der SNB für wichtiger als das Festhalten am 1,20 Kurs, was nicht nur zu horrenden Investitionen der SNB (100 Mrd. Franken allein im Januar) geführt hätte, sondern auch als Einverständnis der SNB mit der EU-Geld- und Währungspolitik gewertet werden konnte.

realtime chart euro_chf 15.1.2015  
Direkt nach der Freigabe sackte der Kurs auf unter 80 Rappen/Euro,
um sich anschliessend bei einem Wert knapp über Parität einzupendeln.
Aktuell steht der Franken unter Parität. (Grafik SRF)
 

Auf Dauer keine Chance

Mit dem Entscheid der Europäischen Zentralbank EZB vom 22.1.2015, Staatsanleihen in Höhe von 1140 Milliarden Euro zu kaufen, war klar, dass der Euro weiter an Wert verlieren würde. Da lag für die SNB ein Ende mit Schrecken näher als ein Schrecken ohne Ende. Kommt hinzu, dass das, was säumigen Ländern in der EU – auch von Schweizer Seite – immer wieder gepredigt wird, nämlich ihre Strukturen den Marktverhältnissen und -erfordernissen anzupassen, auch für die Geldpolitik gilt. Marktkräfte sind auf Dauer nicht aufzuhalten: Wenn sich die (kleine) Schweiz gegen die internationale Phalanx von Spekulanten durchsetzen will, mag das für eine kurze Zeit gutgehen, auf Dauer eben nicht. Hier ist eher die Frage angebracht, ob es ratsam war, den Franken- überhaupt an den Eurokurs zu binden.

Zuversicht ist angebracht

Die meisten exportorientierten Unternehmen der Schweiz – und die trifft der Entscheid besonders – haben ihre Hausaufgaben in den letzten Jahren gemacht. Die SNB hat ihnen Zeit gekauft, dies zu tun, nun wird sich zeigen, wer diese Zeit genutzt hat. Strukturen anzupassen und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern gehören seit jeher zum Alltagsgeschäft und zu den Stärken der Schweizer Unternehmen. Nur deshalb steht ihre Währung, der Franken, dort, wo er vom Ausland angesiedelt wird. Der flexible Arbeitsmarkt tut das seine. Wenn jetzt ein paar Firmen auf dem falschen Fuss erwischt werden, ist das bedauerlich, aber gehört zum Procedere der kontinuierlichen Strukturbereinigung. Sämtliche Prognosen gehen davon aus, dass nach einem Taucher schon in kurzer Zeit mit einem neuen Aufstieg der Schweizer Wirtschaft zu rechnen ist. Warum wohl?
Letztlich werden wir erst in ein paar Jahren wissen, was die Freigabe des Euro-Franken-Kurses der Schweiz bringen wird. Gute Gründe, zuversichtlich – und endlich auch in der Geld- und Währungspolitik wieder ungebunden – zu sein, gibt es jedenfalls zur Genüge.

25.01.2015 | Autor Jörg Naumann

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