Group of Fifteen-Symposium

«Risse in der Fassade» der Schweizer Wirtschaft

Im Zürcher Technopark trafen sich am 29. Januar 2014 über 400 Interessierte zum jährlichen Symposium der Group of Fifteen, das sich dem Thema der aktuellen und zukünftigen Schweizer Wirtschaft widmete. Illustre Referenten widmeten sich der wirtschaftlichen Herausforderungen.

Nach der Begrüssung durch den Präsidenten der Group of Fifteen, Claudio Rudolf, kam der Professor der IMD Business School Lausanne, Stéphane Garelli, zu Wort. Der in einem prägnanten und amüsanten, polemischen Ton gehaltene Vortrag unter dem Titel «The Global Economy and it’s perspectives» streifte die ganze kriselnde Entwicklung der Weltwirtschaft der letzten Jahre.

Der ehemalige Direktor des WEF’s befasste sich – im Stil des Ökonomie-Spezies Mark Faber – in knappen Schlagworten mit Infaltion, Deflation, Steuerproblematik, Arbeitslosen und der Hochschulausbildung. Am Beispiel von Finnland erläuterte Stéphane Garelli wohin eine übertriebene Hochschulbildung (90% der jungen Generationen) führen kann, nämlich zur hohen Arbeitslosigkeitsquoten.

Für Schuldensenkung und Personenfreizügigkeit

Dann war es an Serge Gaillard, Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, die Schweizer Optik in Politik und Wirtschaft ins Zentrum zu rücken. Über die SVP-Initiative über Masseneinwanderung war zum Zeitpunkt der Tagung noch nicht abgestimmt worden und die drohende Problematik einer nicht mehr funktionierenden Personenfreizügigkeit mit der EU erst diskutiert worden, doch die Ausführungen von Serge Gaillard wurden von diesem Fanal überschattet.

Die Wirtschaftskrise von 2007/08 sei mit den ökonomisch-wissenschaftlichen Erklärungen früherer Zeiten nicht mehr zu verstehen. Er erklärte auch warum die Schweizer Wirtschaft sich in dieser schwierigen Zeit über die Krise retten konnte und heute gestärkt dasteht. Und auch die Schuldenquote des Staates sei gesenkt worden. Der Personenfreizügigkeit habe zu dieser positiven Wirtschaftsentwicklung beigetragen sowie auch das Berufsbildungssystem.

Die künftigen Herausforderungen für die Schweizer Wirtschaft formulierte der Direktor der Finanzverwaltung wie folgt: Schuldenquote werden senken, stabiler Finanzplatz erreichen, Geldpolitik zum Euro weiter auf 1.20 Franken Untergrenze halten und die Preisentwicklung im Griff zu behalten. Im Immobiliengeschäft sei er etwas beunruhigt, was die Hypotheken betrifft. Es brauche weiter eine Selbstregulierung und antizyklische Kapitalpuffer. Im anschliessenden Gespräch mit dem SRF-Moderator Rainer Maria Salzgeber kam Serge Gaillard auch auf die Sozialpartnerschaft zu sprechen, die sich für die wirtschaftliche Entwicklung positiv auswirke.

Stadt-Dorf-Konzeption für künftige Architektur

Zum Thema Bauen und Architektur äusserte sich der bekannte Architekt und ETH-Professor Kees Christiaanse und ging auf ökologisch-sinnvolle und soziale Bauprojekte ein, die sein ETH-Team weltweit vorantreibt. «Desakota – eine besiedelte Landschaft» nannte er als Titel seiner Ausführungen. Dieser Begriff stammt aus dem indonesischen Raum und der Sprache und beschreibt in der Stadtgeographie Räume im erweiterten Umland von Grossstädten, in denen urbane und landwirtschaftliche Nutzungs- und Siedlungsformen nebeneinander vorkommen und stark miteinander vermischt sind. Auch die Schweiz befinde sich raumplanerisch in einer solchen Mischform von Dorf und Stadt. Kees Christiaanse hat weltweit verschiedene Raumprojekte geplant und umgesetzt und dabei die ökologische Komponente sehr ernst genommen.

Stadtquartier-Planung auf hohem Niveau

Ein interessantes Planungsprojekt war die Stadtentwicklung im Bereich des künftigen TGV-Bahnhofs in Montpellier (Frankreich): «Nature Urbaine Montpellier Oz» nennt sich das 350 Hektaren Gelände, wo ein gemischter neuer Stadtteil entstehen soll – mit 5000 Wohnungen, Parks und Gärten , Gewerbe- und Freizeiteinrichtungen und auch Büros. Das Gelände liegt zwischen dem Flughafen und dem Mittelmeer und die Planungsarchitektur war komplex, weil auch die neue Hochgeschwindigkeitstrecke der Bahn sowie die Autobahn A9 in die Planung zwischen Nimes und Montpellier mit einbezogen werden musste.

Um diese Entwicklung in einer nachhaltigen Art und Weise über einen langen Zeitraum zu garantieren, wurde der Stadtgestaltung von öffentlichen Räumen und der Landschaft eine grosse Wichtigkeit geschenkt und das Architektenteam um ETH-Professor Christiaanse erhielt den Zuschlag zur Planung dieser urbanen Zone.

Raumplanung sehr wichtig

Der aus Holland stammende Architekt lobte die Schweizer Raumplanung, die jüngst verabschiedet wurde. Auch der kantonale Richtplan beurteilte er als positiv für eine sinnvolle Raumplanung und -entwicklung in der Schweiz. Das Hauptaugenmerk von Christiaanse gilt dem Desakota-Konzept von Raumplanung. Es brauche für eine solche Konzeption in der Architektur ein Prinzip von Kontrolle und Laisser-faire.

In der anschliessenden Diskussion mit dem ETH-Professor beteiligten sich der Zukunftsforscher Georges T. Roos und der Glarner Ständerat This Jenny und befassten sich mit Szenarien der Zukunft betreffend Wirtschaft und Gesellschaft. Jenny gab sich pragmatisch und sprach sich für ein Raumplanungsgesetz aus; er sei auch für die Fabi-Vorlage für den ÖV, meinte der Glarner. In vielen Fragen waren sich die Drei einig, auch was die Zersiedelung der Schweiz betrifft. Mit Blick auf 2050 jedoch brauche es eine sinnvolle Bebauung der Landschaft. Zum Thema Hochhäuser erklärte Christiaanse, es bestehe kein Druck für die Architekten in die Höhe zu bauen, doch werde sich die Schweiz eben zu einem Desakota-Modell entwickeln müssen, wo Stadt und Land (mehr Agglomeration) zusammenwachsen und kein Widerspruch mehr sein müssen.

27.02.2014 | Autor Eugen Rieser

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